Sozialcoaching kann zur Vielzahl der unterschiedlichen Coachings, die es mittlerweile gibt (Coaching für Berufseinsteiger:innen, für Akademiker:innen, klassisches Jobcoaching, Coaching für Frauen, Coaching für Langzeitarbeitslose, für Migrant:innen und Geflüchtete, für Führungskräfte….) gezählt werden.
Der Grundgedanke des Coachings definiert sich immer als Hilfe zur Selbsthilfe. Der Coach soll den Klienten oder die Klientin dazu befähigen, seine eigenen Lösungen zu finden, er ist der primäre Zuhörer und Gesprächspartner – alle Beteiligten begegnen sich auf Augenhöhe. Der Coach beobachtet, analysiert und kann durch das Besprechen der Ergebnisse auf den Klienten einwirken. In einem gewissen Umfang können auch psychotherapeutische Methoden eingesetzt werden (NLP-Techniken, Timeline u. ä.). Der Klient soll befähigt werden, rückwirkend seine eigenen Entscheidungen und Fehler zu verstehen und sich selbst und sein Handeln zu reflektieren. Ein Coaching ist thematisch definiert, zeitlich begrenzt und stark zielorientiert.
Das alles unterscheidet Coaching von Beratung (ein Berater vermittelt seine Fachkenntnisse und Erfahrungen und schlägt konkrete Maßnahmen vor), Training (ein Trainer ist ein Anleiter, der immer wieder erklärt und wiederholen lässt, dabei als Autorität wahrgenommen wird) und Mentoring (ein Mentor hat eher eine längerfristige Beziehung, es kommt zu einem Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zwischen Mentor und Klienten).
Wann ist ein Sozialcoaching sinnvoll?
Unterschiedlichste Gegebenheiten können die Inanspruchnahme eines Sozialcoachings erforderlich machen. In unserer schnelllebigen Zeit, wo sich Umstände im Arbeitsalltag, im menschlichen Miteinander und in ständig steigenden Anforderungen schnell zu einem dauerhaften Stress-Kreislauf aufbauen, benötigen immer mehr Menschen professionelle Hilfe. Gerade ein sogenanntes Sozialcoaching kann in diesen Situationen die richtige Entscheidung sein, um aus dem Stress herauszukommen. Dabei hat das Sozialcoaching immer ein paar Bestandteile aus der Beratung, aus dem Training und auch aus dem Mentoring – unter Umständen auch mit psychosozialen Anteilen. Der Übergang ist nicht immer eindeutig erkennbar und lässt sich nicht immer eindeutig abgrenzen.
Auf jeden Fall bietet ein Sozialcoaching konkrete Alltagshilfe, in all den Situationen, die die Klienten alleine vermeintlich nicht mehr bewältigen können. Gemeinsam werden Lösungen gesucht: für die Entwicklung von realistischen und realisierbaren Zukunftsperspektiven, bei familiären Notlagen, bei Suchterkrankungen, bei behördlichen Belangen u.s.w. Es gibt vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Überforderung, Situationen den Verunsicherung und des Scheiterns bei den Klienten sind immer ein Grund, ein Coaching, insbesondere ein Sozialcoaching in Anspruch zu nehmen. Aber der Coach nimmt dem Klienten dabei weder Aufgaben ab, noch fungiert er als „Besser-Wisser“.
In den meisten Fällen werden Sozialcoachings über den AVGS der Jobcenter und der Arbeitsagenturen finanziert. Deshalb ist das Ziel dieser Coachings immer eine Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unter der Voraussetzung, dass Hemmnisse erkannt, verringert und abgebaut werden bzw. im Idealfall eine Integration in den Arbeitsmarkt zustande kommt. Aber oft ist es bis dahin ein längerer Weg, weil zu viele Hemmnisse vorhanden sind, die es zu erkennen und abzubauen gilt. Eine vorrangige Aufgabe besteht also neben der „Sozialarbeit“ in der Stärkung der eigenen Persönlichkeit, im Erkennen von Ressourcen und in der Entwicklung des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, um auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet zu sein. Zum einen geht es darum, erst einmal Alltagskompetenzen (Schaffung von Strukturen, Entwicklung sozialer Kompetenzen, Übernahme von Eigenverantwortung) wiederherzustellen bzw. zu stärken, zum anderen geht es darum, Schlüsselqualifikationen zu stärken bzw. überhaupt zu entwickeln – wie Teamfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Kritikfähigkeit, Eigeninitiative, Zielorientierung und Zeitmanagement.
Erst wenn an diesen grundlegenden Problematiken erfolgreich gearbeitet wurde, dann kann der Integrationsprozess in das Arbeitsleben in Angriff genommen werden. Wenn die Klienten zu viele „Baustellen“ haben, können sie sich nicht auf Bewerbungen um Jobs konzentrieren. Dieser Prozess kann erst erfolgreich sein, wenn es dem Klienten gut geht, wenn er seine Probleme und Sorgen lösen konnte, wenn sich sein Stress abgebaut hat. Dazu werden im Rahmen des Sozialcoachings, das in Form eines intensiven Einzelcoachings stattfindet, speziell ausgebildete Integrations-Coaches eingesetzt. Der Fokus muss zu Beginn des Coachings insbesondere auf dem individuellen Stabilisierungsprozess liegen.
Aufbau des Sozialcoachings
Das Coaching startet immer mit einer intensiven Kennenlern-Phase, in der es darum geht, die Problematiken zu erkennen und vor allem Vertrauen aufzubauen. Viele Klienten kommen mit Vorurteilen (wieder eine Maßnahme vom Jobcenter) bzw. großen Unsicherheiten (was erwartet mich überhaupt) und Verzweiflung bzw. Hoffnungslosigkeit (mir kann sowieso keiner helfen) in das Coaching. Diese ganzen negativen Voraussetzungen müssen erst einmal beseitigt werden. Sobald der Klient erkannt hat, dass ihm hier in einer einzigartigen Art und Weise geholfen werden kann, wird vieles möglich und erreichbar. Das gelingt aber nur, wenn der Klient mit wirkt und bereit ist, sich den Herausforderungen – auch unangenehmen Wahrheiten und Tatsachen – zu stellen.
Nach der Analyse des Ist-Zustandes kann der Coach den Klienten mit gezielten Techniken dazu führen, eigenes Handeln aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, Fehler einzusehen, Änderungen herbeizuführen, neue Ziele zu definieren, eigene Ideen zu entwickeln, sich seiner Probleme zu stellen u. s. w. – je nach Bedarfslage. Dieser Prozess kann unter Umständen viel Zeit in Anspruch nehmen, zu schnelles Abarbeiten vonseiten des Coaches bzw. zu viel Ungeduld kann sich auf den Coaching-Prozess nachteilig auswirken. Deshalb dauern Sozialcoachings auch länger als z. B. Bewerbungscoachings, es kann über einen Zeitraum von 9 Monaten und länger gehen, um eben die notwendige langfristige Betreuung des Klienten zu gewährleisten.
Im Sozialcoaching kommt es auch auf den Coaching-Auftrag des Jobcenters an. Wenn der Klient nur bei der Wohnungssuche unterstützt werden möchte, kann das Jobcenter oder die Arbeitsagentur andere Schwerpunkte – Herausfinden einer realistischen beruflichen Perspektive – sehen. Dann sollte ein Kompromiss gefunden werden, der alle Parteien zufrieden stellt. Das kann so aussehen, dass dem Klienten erklärt wird, dass er befähigt wird, die Wohnungssuche zeitnah alleine durchführen zu können, und dass dabei aber der Auftrag des Jobcenters Priorität hat – deshalb dann auch eine berufliche Perspektive entwickelt werden muss.
Als einen erfolgreichen Abschluss des Coachings lassen sich verschiedene Ergebnisse anführen. Im Idealfall ist der Klient so stabilisiert, dass er in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. In den meisten Fällen liegt der Erfolg in einer Stabilisierung, in der Klärung wichtiger Angelegenheiten, im Ändern von Verhaltens- und Denkweisen, in einer realistischen Perspektiv- und Zielfindung.
Wilja Vollbrecht
(Geschäftsführerin PCS Berlin GmbH)